Das Opfer auf dem Karmel

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Siena. Kreuzgang der Universität, ehemals Konvent der Karmeliten. Das Opfer des Elija aus einem Fresko von G. Natale Nasini zu Beginn des 18. Jh.


Die Erzählung von 1 Kön 18,20-40 beginnt mit der Versammlung des Volkes auf dem Karmel. Das Ereignis spielt sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Gebiet von El-Muhraqa ab, auf den südöstlichen Abhängen des Gebirgszuges. Dies bestätigen die ausführlichen Darlegungen von P. E. Friedmann wie auch die Tradition: "Die Besonderheiten dieses Ortes stimmen in allem mit der biblischen Erzählung überein" (R. De Vaux). (Foto: Blick auf den Brunnen von El-Muhraqa).

"Wie lange noch schwankt ihr nach zwei Seiten?" (1 Kön 18,21) - mit dieser Herausforderung wendet sich der Prophet an das Volk. "Wenn Jahwe der wahre Gott ist, dann folgt Ihm! Wenn aber Baal es ist, dann folgt diesem!" (1 Kön 18,21). Die Gefahr, die es zu bannen gilt, ist der Synkretismus. Die Ausübung einer bestimmten Religion wird im Hebräischen mit dem Ausdruck "hinter einem Gott hergehen", "in seiner Gegenwart gehen" (vgl. 1 Kön 18,18 und Jer 2,23 "den Baalen nachgelaufen") umschrieben.

Daher die Aufforderung, in der Wahrheit zu gehen und nicht nach zwei Seiten zu schwanken. Der Prophet steht ganz allein den 450 Baalspropheten gegenüber (vielleicht auch, um auszudrücken, daß Israels Gott ein einziger ist gegenüber der Vielfalt der Götzen). Er schlägt vor, zwei Opferaltäre aufzurichten, je einen für die beiden Gottheiten, und diese abwechselnd anzurufen. "Der Gott, der mit Feuer antwortet, ist der wahre Gott" (1 Kön 18,24). Es geht also in diesem Wettstreit nicht um zwei Götter, sondern um den wahren Gott und um das Nichts, um den Gott Israels und eine Illusion!

Aus diesem Grunde genießt es der Schreiber - fast mit einem Lächeln auf den Lippen -, die zwecklosen Anstrengungen der Baalspropheten vom Morgen bis zum Mittag zu schildern. Sie rufen ihren Gott an, schreien mit lauter Stimme, hüpfen, tanzen und ritzen sich sogar nach einem alten Brauch, den verschiedene Schriften erwähnen (vgl. ANET 25 ss), mit Lanzen und Schwertern wund.

Aber all diese auf die Spitze getriebenen Anstrengungen haben nur den einen Erfolg, daß sie kapitulieren müssen: "Es kam kein Laut, und niemand gab Antwort" (Vers 26). Zum Schluß beginnt sogar Elija die Rasenden zu verspotten (vgl. Vers 27).

Berg Karmel. Panorama des Ortes, an dem nach der Tradition das Opfer des Elija stattgefunden haben soll.

In krassem Gegensatz zu diesem aufgeregten und tobsüchtigen Getue steht die ruhige und gelassene Beschreibung der einzelnen, von Elija ausgeführten Handlungen (vgl. Verse 30-37). Der Prophet baut zunächst den zerstörten Altar des Herrn wieder auf, indem er 12 Steine verwendet, die der Zahl der 12 Stämme Israels entsprechen. Dieses Tun spielt sich ja in einer Zeit ab, in der die Einheit der Stämme als Grundlage für das Entstehen der Nation längst zerbrochen ist. Einem zersplitterten Volk gibt er ein prophetisches Zeichen der Einheit, sein in die Irre gegangenes Volk führt er zurück zu den Quellen der eigenen Geschichte, denn es hat im Wirrwar neuer Gottheiten jeden sicheren Halt verloren. Der Gott des Elija ist im Grunde ja nichts Neues wie die vor kurzem in Israel heimisch gewordenen Götzen, sondern er ist der Gott des Volkes, er ist der Gott des Bundes, den er mit den Vätern geschlossen hat. Ganz klar ist der Hinweis auf Josua, der den Bund erneuerte (vgl. Jos 4;24) und auf Mose, den Begründer des ersten Bundes (vgl. Ex 20;24). Die ganze Geschichte des Elija ist übrigens der mosaischen Typologie entsprechend geschildert. Ein Beweis dafür ist die Wanderung zum Gottesberg Horeb, um den Bund im Sinne von Ex 32,31ff zu erneuern; ebenso der 40 Tage und 40 Nächte lange Weg durch die Wüste, als Hinweis auf die 40 Jahre dauernde Wanderschaft des Volkes Israel zum Gelobten Land; oder - nochmals ein Zusammenhang - die Erwähnung von Brot und Wasser bei Elija als Parallele zum Manna und zum Wasser aus dem Felsen, die Israel den Hunger und Durst in der Wüste gestillt hatten. In 1 Kön 18,31 wird an Jakob und Israel erinnert. Unwillkürlich denkt man dabei an die Erwählung Jakobs und an den Segen des Patriarchen (vgl. Gen 32,29; 35,1-10).

Nachdem Elija sein Opfertier zubereitet hat, läßt er es mit viel Wasser übergießen, so daß sich sogar der Graben um den Altar mit Wasser füllt. Wenn man bedenkt, daß das ganze Land unter langanhaltender Trockenheit leidet, dann zeigt die Handlungsweise des Elija, wie sicher er sich seiner Sache ist und wie sehr er davon überzeugt ist, in diesem Wettstreit als Sieger hervorzugehen. Als Antwort auf das Gebet des Elija - eine ganz einfache, knappe und auf Wesentliches bezogene Anrufung, wenn man es vergleicht mit all den rituellen Tänzen und mit Schreien der Baalspropheten - "kam das Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer, das Holz, die Steine und die Erde. Auch das Wasser im Graben leckte es auf" (1 Kön 18,38). Das "Feuer des Herrn" ist fast sicher ein Blitz, der das nahende Gewitter und damit auch das Ende der Dürre ankündigt, aber auch Symbol des Gottes Baal. Gott hat also nicht nur gesiegt, Er hat auch noch den nicht existierenden Gegner verspottet, indem Er, um Seinen Sieg zu demonstrieren, die dem Baal zugeschriebenen Eigenschaften verwendete! Der Ausdruck "Feuer des Herrn" (es ha´elohim auf Hebräisch) verweist auf den gleich klingenden Beinamen des Elija, "Gottesmann" (is ha´elohim). Elija ist der Mann, der immer vom Wort des Herrn geführt wird (vgl. 1 Kön 17,2-5. 8-10. 24; 18,1-2), der Prophet, der "mit leidenschaftlichem Eifer ... für den Herrn, den Gott der Heere" eintritt (1 Kön 19,10.14). Für den "eifersüchtigen Gott" (Ex 20,5) erscheint er hier wie ein wirkliches Feuer, das das Volk inmitten der Finsternis des Götzendienstes erleuchtet, verzehrt und reinigt und die Begeisterung der Getreuen aufflammen läßt. Genau so schildert ihn das Buch Jesus Sirach: "ein Prophet wie Feuer" (Sir 48,1-11).

Nun hat sich die Wahrheit durchgesetzt, und die Umstehenden sind gezwungen, die Blindheit ihres Herzens und die Dummheit ihres Verhaltens zuzugeben: "Jahwe ist Gott, Jahwe ist Gott!" (18,39). Der Name selbst, den der Prophet wie ein Programm trägt (Elija bedeutet: "mein Gott ist wirklich der Herr"), drückt dem ganzen Geschehen mit unwiderlegbarer Evidenz seinen Stempel auf. Das folgende Blutbad an den Baalspropheten ist mit kaltblütiger Grausamkeit beschrieben (1 Kön 18,40), die uns bis ins Innerste zuwider ist (es ist bezeichnend, daß diese Szene vor allem von der byzantinischen und russischen Ikonographie dargestellt wurde, während sie das künstlerische Schaffen im Westen nur selten angeregt hat). Das erwähnte Gemetzel muß allerdings im Zusammenhang mit dem ganzen Geschehen (die jahwetreuen Propheten sind ja vorher auch von der Königin Isebel umgebracht worden; vgl. 1 Kön 18,13), mit der Mentalität und mit den zeitbedingten Gesetzen, vor allem aber nach dem Muster der mosaischen Geschichte betrachtet werden. Der Eifer des Mose war noch um vieles grausamer und blutiger als der des Elija (vgl. Ex 32,25-29; Num 25,1-5). Die Wiederherstellung der wahren Beziehung des Volkes zu seinem Gott fällt zusammen mit der glücklichen Lösung des Problems der Dürrekatastrophe. Diese verursachte dem Volk viel Leid, aber sie war im Grunde nichts anderes als das sichtbare und äußere Symptom eines viel tiefer liegenden Übels: des Bruches der Beziehung zu Gott, um sich unwirklichen und unfruchtbaren Götzen anzuvertrauen. Die Verse 1 Kön 41-46, die auf die Erzählung vom Opfer auf dem Berg Karmel folgen, beschreiben daher das Einsetzen des Regens. Die kleine Wolke, die aus dem Meer aufsteigt, "wie eine Menschenhand" (Vers 44) ist dieselbe "Hand des Herrn" (Vers 46), die Elija führt und anspornt, wenn er - gleichsam in ekstatischem Zustand - in geheimnisvoller Weise vor dem Wagen des Königs herläuft (Vers 46). Unter der sicheren Führung dieser Hand geht der Prophet in den folgenden Kapiteln seinen Weg weiter. Denn diese Hand ist es, die allein die Geschicke des Weltgeschehens lenkt, wahren Segen schenkt und den Bemühungen des Menschen Erfolg verleiht.

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